Eine überraschend lebendige Mimik und Gestik sowie das vielversprechende Film-Noire-Setting der 1940er Jahre konnten im Vorfeld der Veröffentlichung einige Erwartungen wecken…
Und tatsächlich gelingt
es den Großteil der Erwartungen noch zu übertreffen, denn die Protagonisten wirken authentisch und sind nuanciert in Szene gesetzt: in Folge der überaus lebensechten Gesichtsanimationen lässt sich mit Fug und Recht behaupten, dass mit "L.A. Noire" eine neue Ära der grafischen Umsetzungen von Charatker-Mimik eingeläutet wird. Gerne kann dabei über die eine oder andere "Kinderkrankheit" hinweggesehen werden. So werden einige Anzeichen für nicht schlüssige Körpersprache (bei Lügen oder Halbwahrheiten) häufig sowie übertreiben überzeichnet inszeniert.
Die Story dreht sich vordergründig um den
Werdegang des Polizisten Cole Phelps, angefangen von dessen Zeit als einfacher Streifenpolizist bis hin zu seinem Aufstieg in das Morddezernat der Los Angeler Stadtpolizei. Mit fortwährender Spieldauer merkt man jedoch schnell, dass sich durch die einzelnen Fälle, welche in der Haut von Phelps gelöst werden, die verschiedenen Mosaiksteine nach und nach zu einem großen Ganzen zusammenfügen. Bemerkenswert: Spieler, die sich nach einem Setting abseits von der üblichen klischeehaften Schwarz-Weiss Malerei bei der Charakterzeichnung gesehnt haben, werden mit "L.A. Noire" nun endlich aus dem Vollen schöpfen können, denn im L.A. des Cole Phelps gibt es kein Gut oder Böse, es regieren die „Shades of Grey“. Alle Charaktere verfolgen derene eigene Agenda und viele davon haben etwas zu verbergen – oder sie versuchen es zumindest.
In insgesamt 21 Kriminalfällen
spürt man dabei aus der (Schulter-) Perspektive des Cole Phelps Beweise auf, befragt Zeugen und verhört Verdächtige um schließlich den Hauptverdächtigen ins Gras beißen zu lassen oder festzunehmen. Geortete Hinweise werden dabei automatisch in das Notizbuch eingetragen und können jederzeit abgefragt werden. Verhöre folgen grundsätzlich dem Multiple-Choice Ansatz und bieten stets die Wahl zwischen Wahrheit, Lüge oder Zweifel. Konfrontiert man Verdächtige oder Zeugen mit der Behauptung zu Lügen muss dies jedoch umgehend mit den zuvor georteten und im Notizbuch archivierten Beweisstücken untermauert werden, da die konfrontierten Konterparts ansonsten die Kooperation verweigern. Die manchmal etwas kniffligen Verhörsituationen bieten zwar nicht immer auf Anhieb Erfolgserlebnisse, verhelfen jedoch durch deren Authentizität dem Titel zu einem durchwegs hohen Spannungsbogen. Ein weiterer Atmosphäre-Pluspunkt wird mit dem authentischen Nachbau des L.A. der 1940er Jahren geboten, angefangen von dutzenden Nebenaufgaben bis hin zu dem beindruckenden Oldtimer-Fuhrpark und der ansehnlichen Architektur der Straßenzüge. Lediglich der fehlende Multiplayer-Modus sowie die (in Folge der streng nach Drehbuch ablaufenden) fehlende Freiheit bei den Verfolgungsjagden, und einige (wenige) Logikfehler bei Verhören trüben den Blick von Rockstars "Film-Noire"-Spektakel geringfügig.
Fazit: "L.A. Noire" bietet packende Kino-Atmosphäre, welche sich
auf die innovative Mimik der vom Protagonisten verdächtigten Personen sowie auf die glaubwürdig inszenierte Welt der 1940er Jahre stützt. Einige Mankos beeinflussen den Spielfluss kaum. Somit kann davon ausgegangen werden, dass Rockstar die Geburt einer neuen Spiele-Serie gelungen ist.
###Karl H. Stingeder###